Hommage auf ein Liegekissen

Der Sommer ist schon ins Land gezogen und der Höhepunkt des Jahres weit überschritten. Die triste Kulisse eines verregneten Sonntages im Spätherbst lädt Sie ein in Kurzweile zu versinken und die Seele baumeln zu lassen. Das Knistern des Holzes im Kamin und das stetige Flackern des Feuers wirken hypnotisierend. Sanft gleiten Sie davon.

Sie liegen mit Ihrem/Ihrer Liebsten auf einem flauschigen Liegekissen. Die Nähe des Menschen an Ihrer Seite und das Kaminfeuer umschließen Sie mit einem wohligen Gefühl der Wärme. Zusammengekuschelt und geborgen wie ein heranwachsender Embryo im schützenden Mutterleib liegen Sie da, vor Ihren Augen der freie Nacken, an dem sich die Haare leicht kräuseln, wenn Sie Ihren Atem in regelmäßigen Zügen aushauchen. Die sonst glatte und Ihnen bekannte Haut verändert sich in tausende kleine Hügel und Krater und ist so fremd wie eine Mondlandschaft in einer weit entfernten Galaxie. Beide Herzen haben den Rhythmus, wie ein perfekt harmonierendes Jazz-Ensemble, aneinander angepasst. Keines schlägt mehr für sich allein und versorgt den eigenen Körper, gleich dem Regenwald auf unserer Erde, mit lebensspendendem Sauerstoff in jede noch so kleine, verzweigte und entfernte Ecke. Ein nur Ihnen, so vertrauter Geruch, der jeden der Milliarden Menschen in unserer Welt voneinander unterscheidet, strömt mit jedem Atemzug durch Ihre Nase.

Regentropfen prasseln gegen die Scheiben, ziehen lange Spuren, rinnen herab. Die Welt draußen verschwimmt, ist fern, fast schon surrealistisch. Ein Windstoß verändert die Tropfen, wischt Sie davon und gibt Ihnen einen klaren Blick, nur für einen Bruchteil einer Sekunde, gerade solange wie Menschen unbewusst benötigen um das andere Geschlecht anziehend oder abstoßend zu finden, auf die hässliche Fratze des kahlen, blätterlosen Baumes. Nackt und entblößt steht er da, ohne Schutz, die volle Härte des Lebens spürend, die Blätter abgefallen wie Menschenhaare während einer vielleicht lebensrettenden Therapie gegen wuchernden Krebs.

Die Zeit schwindet, hörbar im gleichmäßigen Ticken des Sekundenzeigers, während der Sand einer Sanduhr hingegen nahezu unhörbar in der exakt selben Sekunde fließt, so wie das Leben der Menschen laute, wilde und leise, besinnliche Zeiten kennt. So unterschiedlich die Gegensätze sein mögen besitzen sie doch eine unauslöschliche Gemeinsamkeit, wie beide Zeitmesser. Mit jeder Sekunde, mit der der meistens längste von den drei Zeigern einer Uhr voranschreitet und der Sand im Glas hinabrinnt, sterben wir, schon von Geburt an, unausweichlich!

Nun aber genug von den Tagträumereien, ich sollte mich nun langsam aus meinem Liegekissen erheben und die Mittagspause hinter mir lassen, schließlich ruft die Arbeit, aber es war so schön. Bin schon gespannt wohin ich morgen entführt werde. Jetzt aber los! Adieu mein allerliebstes Liegekissen!

2013-06-12T07:00:45+00:00 Freitag, 29. März 2013|Kategorien: Sitzsack|0 Kommentare

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